AIG Aerospace
Für alle Luft - und Raumfahrtexperten kann es keinen Zweifel geben, dass die Jahre 2014 und 2015 bis heute angesichts der grossen Schadenhäufigkeit und der hohen Verluste eine Herausforderung waren. Zum Beispiel betrugen die von Menschen verursachten Schäden im Luftfahrtsektor 2014 nach Abzug der Rückversicherung rund 435 Millionen Euro, also fast die Hälfte aller grösseren Schadenforderungen bei Lloyd’s.
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Mittlerweile erreicht die auf das Schadenjahr bezogene Schaden-Kosten-Quote des Lloyd’s Luftfahrtgeschäftes 132,6 Prozent im Jahr 2014 im Vergleich zu 105,1 Prozent des Vorjahres. Obgleich keine flächenbereinigten Zahlen für den Company-Markt (ausserhalb von Lloyd’s) vorliegen, kann man wohl von einer vergleichbaren Entwicklung ausgehen, da Versicherer eine Reihe von grösseren Schäden aufgefangen haben, darunter die Schäden der Malaysia Airlines aus den Flügen MH370 und MH17, die Kämpfe am Flughafen Tripolis in Libyen im Juli 2014, durch die viele Flugzeuge zerstört oder schwer beschädigt wurden, und der tragische Verlust von Flug 9525 der Germanwings.

Die Untersuchungen vieler dieser Schadenfälle dauert noch an, weshalb über die jeweilige Ursache nicht spekuliert werden sollte. Gegenwärtig geht man aber nicht von fehlerhaften Bauteilen aus, wie bei anderen schweren Flugunfällen der letzten Jahre. Dennoch müssen sich Hersteller, Fluggesellschaften und ihre Versicherer den Problemen des Risiko-Managements stellen. Dies gilt auch für das kritische Lieferkettenrisiko für Luftfahrtprodukte, insbesondere angesichts des steigenden Flugverkehrs, der Bauteile viel stärker als bisher beansprucht. Laut der International Air Transport Association (IATA, Internationale Luftverkehrs-Vereinigung) stieg der weltweite Flug- und Reiseverkehr im Vergleich zum Vorjahr um 5,9 Prozent, während die Kapazität auf 5,6 Prozent stieg. Wir finden hier eine interessante Deckungsdynamik: Die Luftfahrzeugbetreiber geniessen den Versicherungsschutz auf Basis „Deckungssumme pro Schadenereignis“, wohingegen die Produkthersteller diesen nicht erhalten, da ihre Policen auf ein Gesamtlimit für alle Schadenereignisse pro Versicherungsperiode festgelegt sind.

Das Risiko akkumulierter Haftpflichtschäden hat jeder Komponentenhersteller zu tragen. Das führt bei grossen Endherstellern (original equipment manufacturers) zu potenziellen Unsicherheiten, wenn sie innerhalb ihrer eigenen Lieferkette nach Strategien zur Risikominimierung suchen. Grössere Sicherheit bietet hier die innovative AIG Haftpflichtversicherung für die Luft- und Raumfahrt. Diese beinhaltet in der Regel ein Gesamtlimit in Höhe von $ 50 Millionen je Schadenfall ohne Maximierung für Hersteller von nicht kritischen Flugzeugkomponenten. Natürlich stellt die Wahl der richtigen Versicherungsdeckung nur einen Teil der Lösung dar. Für das Luftfahrt-Risiko-Management ist ein proaktives unternehmerisches Handeln wichtig, ganz besonders dann, wenn es um Umlaufteile geht, also um Komponenten oder Ausstattungsteile, die wirtschaftlich mehrmals in einem vollständig erneuerten Betriebszustand wieder verwendet werden können. Hinsichtlich der Fluggesellschaften muss eine wichtige Frage gestellt werden: Welche Umlaufteile müssen herausgenommen und repariert oder ausgetauscht werden? An dieser Stelle ist eine effiziente Lieferkette von fundamentaler Bedeutung: Sollte der Hersteller eines bestimmten Umlaufteils sein Geschäft aufgeben oder seine Produktionsfähigkeit verlieren, wäre davon die gesamte Lieferkette betroffen. Häufig besteht ein bestimmtes Umlaufteil, zum Beispiel das Kraftstoffsteuergerät, selbst aus einer Vielzahl kleinerer Bauteile, so dass ein kleinerer Hersteller mit einem kleinen Problem für die gesamte Lieferkette viel grössere Probleme verursacht.

Betriebslaufzeit
Die Branche muss zudem genauestens auf die Betriebslaufzeit eines bestimmten Bauteils achten, was allgemein als „mittlere störungsfreie Zeit“ bezeichnet wird. Es ist leicht zu verstehen, dass Wartung, Reparatur und tatsächlicher Austausch ein strikt zyklischer Prozess ist, ein Prozess, den die Luftfahrtbranche streng beaufsichtigen muss, insbesondere angesichts des gewaltigen Volumens an Luftfahrzeugteilen, das für ein modernes Passagierflugzeug benötigt wird. Im Grunde genommen geht es nicht einfach 
nur um den Motor oder die Instrumente im Cockpit, sondern um das gesamte Flugzeug – von den Sitzen über die Bordküche bis hin zu den Flugdaten, die für einen reibungslosen Flug benötigt werden. Wichtig ist, dass man der Konkurrenz voraus ist – schliesslich sind die Risiken der Luftfahrtbranche alles andere als niedrig.

Angesichts der extrem komplizierten Logistik im Lieferkettenprozess muss man auch darauf hinweisen, dass letztlich der Ausfall eines oder mehrerer Komponententeile in der Verantwortung des Managements liegt. Sicher mag auch ein Teilverschulden am unteren Teil der Kette liegen, dennoch muss das Management der Fluggesellschaft einen Notfallplan bereithalten, damit bei Lieferkettenproblemen der Betrieb fortgesetzt werden kann. Und da einige Komponenten sehr ähnlich aussehen, zählen im weiteren Sinne des Risiko-Managements auch eine gute Lagerkontrolle und ein gutes Lagermanagement zu den wichtigen Aspekten. Risiken der Luftfahrt sind nicht auf potenzielle Probleme der Lieferkette beschränkt. Neuerdings kommt das Thema des „aerotoxischen Syndroms“ ins Gespräch, weil angeblich über die Klimaanlage kontaminierte Luft aus den Flugzeugsystemen in die Kabine gelangt und dort zirkuliert. Da es sich um Toxine aus dem Öl handelt, soll im Laufe der Zeit eine Vergiftung der Crew hervorgerufen worden sein. Seitens der Medien hat es hierzu erhebliche Übertreibungen gegeben, wie zum Beispiel mit der Überschrift der niederländischen Zeitung Telegraaf „Tödliches Nervengas in Flugzeugkabine entdeckt“. Gemäss diesem Artikel haben Forscher des Academic Medical Center in Amsterdam einen „zweifelsfreien“ Beweis für das Bestehen des Syndroms gefunden. Nicht ganz so hysterisch wurde Anfang dieses Jahres in einem gerichtsmedizinischen Gutachten aus Grossbritannien über den Tod eines Piloten, der dem Leiter der Zivilluftfahrtbehörde übergeben wurde, darauf hingewiesen, dass „die Insassen von Flugzeugkabinen Gesundheitsschäden durch Alkylphosphatverbindungen ausgesetzt sind“ und dass „die Gesundheitsschäden jener, die ein Flugzeug führen, zum Tod der Passagiere führen können“. Ferner wies der Gerichtsmediziner darauf hin, dass es keine Echtzeitüberwachung zur Feststellung von Mängeln der Kabinenluft gibt und dass Fluggesellschaften nicht berücksichtigen, dass Menschen unterschiedlich darauf reagieren könnten.

Wissenschaftlicher Konsens
Eine solche Berichterstattung kann die Sensationsgier weiter anfachen und den Klägern weltweit neue Munition in die Hand geben. Trotz dieser Berichterstattung über das aerotoxische Syndrom besteht beim überwiegenden Teil der Wissenschaftler derzeit Konsens darüber, dass es keinen empirischen Nachweis für dieses vermeintliche Syndrom gibt. Laut eines Berichtes aus 2008 von Michael Bagshaw, Direktor für Luftfahrtmedizin am King’s College London, liegen keine Erkenntnisse aus Vergleichsstudien über Fälle neurologischer Schädigungen beim Menschen vor aufgrund einer Belastung mit Trikresylphosphat, einem Bestandteil von Motoröl, das angeblich die Hauptursache für Schädigungen bei Piloten sein soll. Die Studie des King’s College weist auf eine Meta-Analyse der medizinisch toxikologischen Abteilung des London Guy’s Hospital aus dem Jahr 2001 hin, die Belastungen bis zurück zum Jahr 1943 untersucht hatte. Die umfassende Studie zeigt auf, dass bei allen Fällen von Belastungen die hohen Konzentrationen signifikant über der Menge lagen, die im Öl von Düsenflugzeugen vorhanden ist.

Eine von der australischen Behörde für Zivilluftfahrtsicherheit durchgeführte Prüfung durch ein Fachgremium gelangte zu dem Schluss, dass „es derzeit nur unzulängliche Nachweise gibt, um eine biologische signifikante Belastung von kontaminierter Kabinenluft, die zu einer signifikanten Aufnahme durch die Crew oder die Passagiere führen würde, bestätigen oder entkräften zu können“. Nach dem Stand der Dinge kann wissenschaftlich nicht die Behauptung gestützt werden, die in den Medien verbreitet wird.

Das heisst natürlich nicht, dass wir dieses oder andere Themen über aufkommende Flugverkehrsrisiken ignorieren können. Unsere Pflicht besteht darin, unsere Versicherten und Makler zu unterstützen, indem wir aufkommende Trends genauestens beobachten und verfügbare Nachweise analysieren. Wichtig zu erwähnen ist noch, dass es sich bei der Luftfahrt um eine Branche mit einem hochentwickelten Risiko-Management handelt. Es ist Teil unserer stetigen Verpflichtung den Kunden gegenüber, über intellektuellen Austausch und Entwicklung von innovativen Versicherungsprodukten dies weiter zu unterstützen.

Sollten Sie weiterführende Informationen wünschen, so kontaktieren Sie bitte Ihren Ansprechpartner vor Ort.